Artikel aus der schanze|20357 vom Juni 2007.
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Aufwertung – für wen?

Wachsende Stadt versus soziale Stadt – oder doch ganz anders?!
Von der Notwendigkeit Stadtentwicklung als politisches Terrain (wieder)zu entdecken

Von Steffen Jörg, Mitarbeiter der GWA St. Pauli Süd

„St. Pauli wird sich ädern. Das ist eine Entwicklung, die nicht aufzuhalten sein wird – die aber durchaus gewollt ist“, postulierte kürzlich der Baudezernent des Bezirksamts Mitte. Nicht nur in St. Pauli, sondern in ganz Hamburg haben sich Stadtteile verändert und wurden umstrukturiert. Vor einigen Jahren war von der„offene Koffein-Szene“ im Schanzenviertel die Rede, mittlerweile macht der Begriff „Latte-Macchiatorisierung“ der westlichen Innenstadt die Runde. Gemeint sind Entwicklungen, die verharmlosend als „Aufwertung“ bezeichnet werden und in deren Verlauf Quartiere unter dem Vorzeichen eines neoliberalen Standortwettbewerbs für jenes Klientel nutzbar und attraktiv gemacht werden, auf die der Wirtschaftstandort Hamburg angewiesen ist. Dass dabei benachteiligte Bevölkerungsgruppen, alternative Strukturen, subkulturelle Szenen aus den angesagten Vierteln in weniger attraktive Stadtteile vertrieben werden, bleibt meist geflissentlich unerwähnt.

 

Aufgeschicktes St. Pauli für die „Leistungsträger“ der Gesellschaft

Doch zurürk zu St. Pauli. Der Stadtteil ist mittendrin in einer Phase heftigster Veränderungen. Mit dem schrittweisen Wandel des Kiez’ vom „Schmuddel-Rotlichtmilieu“ zur Amüsier/Kultur/Club-Meile begann in den 1980er Jahren die „Aufwertung“, die insbesondere in letzter Zeit eine immense Beschleunigung erfährt. 350 Millionen Euro werden zur Zeit in der Hafenkrone auf dem Bavaria- Gelände in teure Hotelsuiten, hochpreisige Miet- und Büroräume umgesetzt. Es heißt, dass hier in Zukunft die höchsten Mieten der Stadt gezahlt werden müssen. Zu den teuersten Eigentumswohnungen der Stadt werden demnächst wohl die Flächen im so genannten Hafendomizil zählen, einem Neubau am Park Fiction. In der Trommelstraße, Ecke Lincolnstrasse ließ die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA/GWG drei Altbauhäuser abreißen und versprach den Neubau von Sozialwohnungen. Stattdessen stehen dort nun freifinanzierte Wohnungen mit Eichenparkett und Luxusbädern für einen Netto-Mietpreis nicht unter 10 Euro pro Quadratmeter.

Die Liste lässt sich fortführen: Die feine Umgestaltung des Spielbudenplatzes, die Abwicklung des Stay Alive, die Repression gegen Junkies und Prostituierte, die Präsentation der River Kasematten, die Messeerweiterung….

Das St. Pauli von morgen bereitet sich auf die „Leistungsträger“ der Stadt vor, die die teuren Mieten zahlen können. Der Rest muss schauen, wo er bleibt. Der Markt wird es schon richten.

 

Wem gehört die Stadt?
Was tun? Was tun!

Ansatzpunkte und Betätigungsfelder gibt es genug. Seit Anfang des Jahres gibt es von der GWA St. Pauli Bemühungen, einen Raum zu schaff en, in dem Menschen sich dieser Thematiken annehmen und sich organisieren können. Das St. Pauli Plenum will Interessierte und Aktive zusammenbringen, um zu diskutieren, welche Mittel der Intervention und Einflussnahme möglich wären, um Utopien zu spinnen, um konkrete Schritte zu planen. Das Treff en ist off en für alle Interessierten und findet jeweils am 2. Mittwoch im Monat ab 19 Uhr im Kölibri / GWA statt (Hein-Köllisch-Platz 12). Ebenfalls seit kurzem gibt es einen stadtteilübergreifenden Vernetzungsversuch. Der kampagnenorientierte „MieterInnenrat“ trifft sich in unregelmäßigen Abständen. Seine erste Aktion ist die „Rote Karte für Ole“, die im Moment in Kneipen und anderen Ort ausliegt und auf UnterzeichnerInnen wartet.

Zu beiden Zusammenhängen gibt es weitere Informationen in der GWA am Hein-Köllisch-Platz 12 und im Netz unter www.koelibri.de