Heimspiel - Aus der Tiefe des Viertels

Eine Produktion der GWA St. Pauli

Angefangen mit der „Pauli Passion“ (1. Hamburger Stadtteilkulturpreis) war „Heimspiel“ das zweite große Theaterprojekt.

Der Produktionszeitraum für das Theaterprojekt HEIMSPIEL erstreckte sich von Oktober 2005 bis Juni 2006. Die Idee zum Theaterprojekt Heimspiel – Aus der Tiefe des Viertels entstand, als die Vorbereitungen für die WM in Deutschland auf Hochtouren lief.

Das Projekt war eine Kooperation zwischen GWA / Kölibri als außerschulischem Bildungsträger und der Ganztagsschule St.Pauli.
Ein wichtiges Merkmal unserer Theaterprojekte ist, die Arbeit mit einem professionellen Team, was ein sehenswertes, qualitativ hochwertiges Ergebnis ermöglicht.
Das künstlerische Team bestand aus der Regisseurin Christiane Richers (Inszenierung), Tuncay Akcay (Regieassistenz) und Heike Halenga (Kostüme).
Als Schirmherrn konnten wir Corny Littmann gewinnen, sozusagen als Bindeglied zwischen Theater und Fußball.

Mit diesem interkulturellen, generationsübergreifenden Kooperationsprojekt gelang es uns, Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in einem der ärmsten Stadtteile Hamburgs die Möglichkeit zu geben, miteinander ihre Stärken und Potenziale zu entdecken, zu entwickeln und zu zeigen.

Ab Juni 2005 fanden in der Schule monatlich Koordinationstreffen mit dem Schulleiter, dem Kulturbeauftragten und den interessierten LehrerInnen statt.

  • eine HipHop-Gruppe erarbeitete eine Tanzszene für das Projekt
  • eine Fußballgruppe bereitete eine Szene mit Fußballtricks vor

Vier Kinder entwickelten im Jamliner (Hamburgs Musik Mobil für soziale Brennpunkte) einen Rap und zwei Klassen der Schule stellten Bühnenrequisiten her.

Parallel konnten wir drei Gruppen aus dem Stadtteil zur Mitwirkung motivieren:

  • Theatergruppe vom Abenteuerspielplatz Brunnenhof
  • eine Kinderfußballgruppe um Heri Cortez, die regelmäßig im Sternschanzenpark trainiert
  • eine Jugendfußballgruppe aus Nettelnburg mit einem Gastauftritt

Die Stammgruppe, die im Kölibri an dem Stück arbeitete, fanden wir über Ankündigungen in unserem Monatsprogramm und Aushänge im Schaukasten auf dem Bahnsteig des S-Bahnhofs Reeperbahn.

Ab Oktober 2005 begannen die wöchentlichen 2-stündigen Probentermine für die Stammgruppe, die größere Sprechrollen erarbeitete.

Zu Beginn der Proben standen Kennenlernspiele und –aktionen, spielerischer Umgang mit dem Thema „Ball“, Assoziationen und der Austausch zum Thema „Die Tiefe des Viertels“ , szenische Improvisationen und improvisierte Dialoge im Mittelpunkt.

Im nächsten Schritt hat Christiane Richers nach Einzelgesprächen die Figuren erarbeitet und deren Beschreibungen auf die AkteurInnen zugeschnitten. Dabei gab es Raum zur Einflussnahme an der jeweiligen Rolle jedes Einzelnen und zur Beteiligung an der inhaltlichen Gestaltung des Projektes.

Die Kostümbildnerin Heike Hallenga begleitete die Proben und entwickelte Ideen für passende Kostüme und Requisiten, die nach und nach umgesetzt wurden.

Ab Mitte November fing die Gruppe an, die einzelnen Figuren zum Leben zu erwecken und miteinander improvisiert in Beziehung zu treten. Christiane Richers schrieb die ersten Szenen des Textbuches.
Dann trafen sich alle beteiligten Gruppen im Rahmen eines Probenwochenendes, um sich kennen zu lernen und festzulegen, wie der Beitrag der einzelnen Gruppen konkret aussehen kann.
Im Dezember war das Textbuch fertig und die intensive Arbeit an den einzelnen Szenen begann, die sich im Probenverlauf bis zur Premiere immer wieder etwas veränderten.

Die Arbeit mit den vielen Gruppen war eine Herausforderung. Nicht alle MitspielerInnen probten kontinuierlich gemeinsam. Die Kindergruppen erarbeiteten mit ihren Lehrerinnen /Leitern ihre Bausteine phasenweise selbständig und gemeinsame Probensequenzen fanden bis zur Endprobenwoche an einigen Wochenenden statt.

Deshalb brauchte die Gruppe viel Zeit, um ein Wir-Gefühl zu entwickeln, sich als wichtiger Teil einer großen Gruppe zu fühlen.

Die mehrmonatige intensive gemeinsame Arbeit war für alle eine Entdeckungsreise nicht nur in die Welt des Fußballs und des Theaters, sondern auch in die ihrer eigenen Fähigkeiten und Grenzen. Das Spiel mit dem Körper, mit Emotionen, mit Rollen, mit sich und der Gruppe stellte hohe Ansprüche: Einfühlungsvermögen und Ausdruck, Selbstwahrnehmung und Fremdwahrnehmung, Teamfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein, Kommunikations-fähigkeit und Selbstreflexion sind nur einige der Kompetenzen, die im theaterpädagogischen Training und im Spiel auf der Bühne gefördert und stabilisiert wurden.

Im Spielraum des Theaters können Denk- und Handlungsmodelle für den Alltag entwickelt und spielerisch erprobt werden. Über das Spiel mit Körperhaltungen wird im wahrsten Sinne des Wortes der „aufrechte Gang“ eingeübt. Dieses Gefühl für die eigene Stärke ist auch

eine wichtige Voraussetzung, um junge Menschen vor selbst zerstörerischem Suchtverhalten und menschenfeindlichem Gedankengut zu schützen. Entsprechende Untersuchungen der letzten Jahre belegen, dass die Ursachen von Gewalt gegen sich und andere häufig in dem Verlust der eigenen Identität und dem Mangel an Selbstbewusstsein zu finden sind.

Die deutliche Steigerung des Selbstwertgefühles und der Kooperationsfähigkeit ist eine der nachhaltigen Wirkungen bei den Kindern, die von den LehrerInnen immer wieder bestätigt wird.

Daneben förderte das Projekt auch das soziale Miteinander zwischen den Mitarbeiterinnen des Kölibri und der Schule, ermöglichte beiden den gegenseitigen Einblick in die so unterschiedliche Arbeitsstruktur und Handlungslogik und begünstigt so das Verständnis für Reibungspunkte in der Zusammenarbeit.

Die Premiere war ausverkauft und ein großer Erfolg. Es gab neben Beiträgen in der Tagespresse schon im Vorfeld 4 Berichte in verschiedenen Fernsehsendern. Wir spielten insgesamt 6 Vorstellungen. Auf der Dernière wurde der Erfolg gemeinsam gefeiert und von vielen TeilnehmerInnen der Wunsch nach einem neuen Projekt geäußert.

Im nächsten Jahr wollen wir ein kleineres Projekt auf die Bühne bringen und in 2 bis 3 Jahren, soll wieder eine große Produktion starten, wenn wir das Geld zusammenbringen, denn solche Produktionen sind teuer und das Geld müssen wir mühsam über Stiftungen und Sponsoren einwerben.

Ab April konnten wir, dank der Zusage zweier Stiftungen ein professionelles Team für die filmische Dokumentation der Arbeit finanzieren. Vorgesehen ist die Erstellung zweier DVDs von 12 und 60 Minuten. Außerdem ist eine Vorstellung komplett gefilmt und wird als DVD allen TeilnehmerInnen als Anerkennung und Dank bei einem Treffen im Herbst überreicht. Die Arbeiten an den Filmen werden bis dahin fertiggestellt sein.

An der Realisierung des Projekts haben insgesamt 157 Personen mitgewirkt.
Davon waren 68 Personen Akteure:

  • 13 Frauen zwischen 19 und 76 Jahren
  • 7 Männer zwischen 21 und 62 Jahren
  • 11 Jugendliche zwischen 15 und 18 Jahren
  • 37 Kinder zwischen 7 und 13 Jahren.

Bei den zahlreichen AkteurInnen (ca. 60 %) mit Migrationshintergrund waren 8 Nationalitäten vertreten.
Am Bühnen- und Requisitenbau waren 36 Kinder zwischen 10 und 14 Jahren beteiligt. Das Organisations- und Leitungsteam umfasste 16 Personen, das Filmteam 7 Personen.